Corona stellt auch die Arbeitsgerichte vor Herausforderungen. Wie ist mit einem Arbeitnehmer umzugehen, der sich im Urlaub in Quarantäne begeben muss, ohne selbst infiziert zu sein. Kann ein Arbeitgeber dann den beantragten und genehmigten Urlaub gewähren, die Quarantänetage also auf den Urlaub anrechnen? Nachdem sich die Arbeitsgerichte in Halle, Bremen-Bremerhaven, Bonn und nun auch Neumünster mit der Sachlage befasst haben, ergibt sich folgendes Bild:
1. Problemstellung
Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer für eine vorbestimmte Zeit Urlaub. Der Arbeitnehmer nimmt den Urlaub in Anspruch. Er muss sich aber aufgrund behördlicher Anordnung im/während des Urlaubs in Quarantäne begeben. Der Arbeitnehmer ist selbst nicht erkrankt. Werden die Quarantäne Tage nicht auf den Urlaub angerechnet? Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 9 BUrlG. Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.
2. Das Arbeitsgericht Halle zählt alle urlaubsstörenden Ereignisse, die nach der vorbehaltlosen Gewährung des Urlaubs eintreten, zum persönlichen Lebensrisiko des Arbeitnehmers. Nur dann, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt, und der Arbeitnehmer seine Erkrankung durch ärztliches Zeugnis nachweist, werden ihm Krankheitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Der Arbeitnehmer behält dann seinen Urlaubsanspruch. Von der Krankheit unterscheidet sich die Quarantäne. Arbeitnehmer, die nur ansteckungsverdächtig sind, sind nicht arbeitsunfähig erkrankt. § 9 BurlG kann nicht analog auf den Fall des Verdachts der Ansteckung angewendet werden. Diese Ausnahmeregelung erfasst nur den Fall der Krankheit.
3. In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven. Auch hier hatte der Arbeitnehmer den Urlaubszeitraum festgelegt, Urlaub beantragt und Urlaub erhalten. Der Arbeitgeber ist damit seiner Verpflichtung zur Urlaubsgewährung in vollem Umfang nachgekommen. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der nicht krankgeschrieben war, sich aber aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne begeben musste, ist damit erfüllt worden und erloschen.
4. Zum gleichen Ergebnis kommt das Arbeitsgericht Bonn. Auch hier gibt es keine Nachgewährung von Urlaubstagen bei behördlicher Isolierungs-Anordnung aufgrund Infektion mit Sars-Cov-2.
5. Die jüngste Entscheidung kommt vom Arbeitsgericht Neumünster und datiert vom 3. August 2021. Bei behördlich angeordneten Quarantäne werden die Quarantänetage auf den Urlaub angerechnet. Diese Tage sind keine Krankheitstage. Die Vorschrift des § 9 BUrlG ist auch nicht auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne analog anzuwenden. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift eine besondere Situation der Urlaubsstörung, nämlich die Arbeitsunfähigkeit, herausgegriffen. Deswegen ist die Vorschrift keiner Verallgemeinerung fähig. Außerdem ist eine klare Grenzziehung, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers abgestellt wird.
Fazit:
Hat der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und gewährt ihm der Arbeitgeber den Urlaub, und muss sich der Arbeitnehmer während des Urlaubs in Quarantäne begeben, ohne selbst erkrankt zu sein, ist diese Zeit Urlaub. Damit ist der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erloschen. Eine "Nachgewährung" von Urlaubstagen erfolgt nicht.